Seit November 2020 bildet sich im ehemaligen Karmel-Kloster in Weimar/Schöndorf eine kleine christliche Lebensgemeinschaft.
In unseren bisherigen Gemeinden haben wir versucht, auszuloten, was Nachfolge Jesu für unser Leben bedeutet und uns dabei nach mehr verbindlicher Gemeinschaft gesehnt.
Um unserer Gemeinschaft eine erkennbare Kontur und ausreichende Kontinuität zu geben, wäre eine Kerngruppe von fünf bis acht Personen sinnvoll, die bereit sind, miteinander zu leben und nach Gottes Willen zu fragen. Christus, als Liebes-Erklärung Gottes an uns, ist unsichtbare Mitte von Gebet und Alltag. Wir möchten uns um sein Licht herum versammeln und offen sein für das, was daraus folgt. Ein Weg der Annäherung soll im stillen Dasein vor ihm, in der Meditation, der Kontemplation liegen. Im Vertrauen auf diese Gottesfreundschaft machen wir uns auf die Suche nach dem Licht Gottes in jedem Menschen.
Wenn die Kerngemeinschaft sich gefunden hat, soll sie offen sein für Menschen, die vorübergehend Schutz, Schonraum, Rückzugsmöglichkeit, Gastfreundschaft oder Stille und Einkehr suchen. Das bezieht sich sowohl auf die Menschen aus dem benachbarten Schöndorf, als auch auf Suchende von außerhalb.
Dabei wollen wir den Selbstschutz des Einzelnen und die Intimität der Lebensgemeinschaft nicht aus den Augen verlieren.
Diese Gemeinschaft ist weder Selbstzweck noch Wellness-Oase zur Selbstoptimierung. Sie ist der Versuch, die Frische und Schönheit des Evangeliums zu entdecken. Wir möchten in Einfachheit und Dankbarkeit das Leben feiern und offen sein für Menschen, die sich dazu einladen lassen, ob jung oder alt, ob Singles oder Paare.
Wir stehen der Friedens-, Ökologie- und Flüchtlingsarbeit nahe. Diese Themen werden uns weiterhin begleiten. Um kommenden Generationen etwas vom Reichtum unseres Planeten übrig zu lassen, versuchen wir, unseren Umsatz an Ressourcen niedrig zu halten und der Zerstörung der Erde entgegen zu wirken. Angesichts einer vergänglichen Welt ist das für uns jedoch keine Ideologie sondern ein Versuch der Höflichkeit gegenüber unseren Nachkommen.
Unseren Lebensunterhalt verdienen wir in unseren Berufen, teils außer Haus, teils von zu Hause aus. Wir versuchen, eine Form des geistlichen Lebens zu finden, die mit den persönlichen und beruflichen Rahmenbedingungen der Gemeinschaftsmitglieder vereinbar ist, die aber auch ausreichend Raum bekommt, um unser Engagement zu tragen. Wir halten morgens eine stille Zeit in der Kapelle, jeder nach seinem Zeitplan, und abends ein gemeinsames Abendgebet.
Wir wollen mit der katholischen Gemeinde vor Ort und mit der evangelischen Nachbargemeinde zusammenwirken. Die Gemeinschaft soll nicht neben der Gemeinde stehen, sondern Teil der Gemeinde sein.
Nach einem dreiviertel Jahr im Glockenhof wissen wir, dass das Zusammenleben spannungsreich sein kann. Dieses Risiko nehmen wir in Kauf in der Hoffnung, dass wir daran wachsen und reifen und dass die positiven Impulse für Kirche und Gesellschaft überwiegen. Papst Franziskus lädt uns in seinem Buch „evangelii gaudium“ ein, die Ränder der Gesellschaft aufzusuchen und dabei auch das Risiko einer ‚verbeulten’ Kirche einzugehen. Und wir sind darauf gefasst, von den Ärmeren zu lernen, was Mitmenschlichkeit bedeutet. Wird es gelingen, dass Außenstehende in unserem Zusammenleben eine frohe Botschaft erkennen?
Das Gebäude und Gelände bietet mit den verschiedenen Bereichen die Möglichkeit, mehrere Arten der Nutzung miteinander zu verbinden:
Ein offenes gastfreies Haus, in dem man eine Tasse Kaffe, zwei offene Ohren und auch mal ein Obdach bekommen kann. Dafür bietet sich der Versammlungsraum im Keller als offener Bereich an, der für Gäste zugänglich sein kann, ohne dass gleich das ganze Haus begehbar ist. Ein Versuch, im Sinne der kleinen Brüder und Schwestern von Charles de Foucauld, sich auf das ‚Sakrament der Freundschaft’ einzulassen.
Wöchentliche öffentliche Angebote zu christlicher Meditation in der Kapelle.
Wenn die Gemeinschaft stabil genug ist, könnten junge oder seelisch verwundete Menschen vorübergehend mitleben, die zu selbstständig sind, um in einem Heim zu wohnen, aber sich noch nicht zutrauen, allein zu leben.
Gelegentliche Schweigewochenenden christlicher Meditation, oder andere Veranstaltungen (Bibelteilen, Vorträge, Gesprächsabende).
Ein eigener Garten, der einen Teil zum Lebensunterhalt beiträgt, sowie Küche, Haushalt, Wäscherei, Brennholz machen, Webstuhl, Näherei, u. ä. können Beschäftigungspotenzial und Erfolgserlebnisse für zeitweise Mitlebende bieten und ihnen helfen, ihren Tag zu strukturieren.
Die Nähe zur Gedenkstätte Buchenwald fordert zu kritischer Reflexion der Vergangenheit und zur friedlichen Gestaltung der Gegenwart und Zukunft heraus (Edith-Stein-Freunde, Pax Christi).
Der östliche Flügel des Klosteranbaus mit seinen drei Zimmern – und im Sommer auch die Klause am oberen Ende des Gartens – sind ausreichend abgelegen, um Einzelgästen eine Möglichkeit zum Rückzug aus dem Alltag zu ermöglichen, mit Zugang zu Kapelle und Garten, ohne dass sie durch das Leben der Gemeinschaft gestört werden.
Folgende Gemeinschaften haben uns zu diesem Abenteuer inspiriert: Franziskusgemeinschaft Pinkafeld (südlich von Wien), Catholic workers (Amsterdam), die Bruderhöfer, die Wulfshagener Hütte und die kleinen Schwestern von Jesus (überall auf der Welt), die Communauté de Taizé.
Einmal im Jahr sollten wir als Gemeinschaft eine Klausur zur Revision unseres Lebens machen. Sind wir noch auf einem guten Weg? Welche Konfliktfelder müssen wir angehen? Wo müssen wir umsteuern? Wofür reicht unsere Kraft und wofür nicht? Wie verteilen wir die Lasten, wie teilen wir die Freuden? Wie gelingt die Balance von gesellschaftlichem Einsatz und Kontemplation?
Vertraut den neuen Wegen… Möge die Übung gelingen.
Weimar, 27. Mai 2021